Zielsetzung

Von Clea Kächele

Gesamtziel des Verbundprojektes SmartSquare

Ziel des Projekts ist es, auf Basis einer datenorientierten Bestandsaufnahme, Analyse und exemplarischen Modellierung des Hamburger Domplatzes eine Pilotierung eines integriertensmarten Dienstleistungsmodells zur Revitalisierung des derzeit wenig genutzten Ortes zu ermöglichen. Das Verbundprojekt entwickelt am Beispiel des Hamburger Domplatzes eine Methodik zur „Vermessung” von Plätzen, die in der Implementierung smarter Dienste in kleinräumigen Strukturen mündet.

Unter Vermessung ist dabei nicht nur die quantitative Erfassung des Bestandes mithilfe der Erfassung raumbezogener geometrischer Größen zu verstehen, sondern vielmehr die Erhebung, Sammlung und Analyse sämtlicher ortsspezifischer quantitativer und qualitativer Daten, die Aufschluss über spezifische Nutzungen des Platzes geben sollen. Dieses Verfahren dient der urbanen Revitalisierung des Domplatzes, der historischen Wiege von Hamburg. Die modellhafte Untersuchung und Pilotierung prototypischer kultureller Injektionen soll eine Übertragbarkeit für andere Plätze in anderen europäischen Städten erlauben.

Der Hamburger Domplatz ist zurzeit ein wenig beachteter Durchgangsplatz, dessen kulturelle Bedeutung für die Stadt kaum sichtbar ist. Als Standort der einstigen Hammaburg, welche die Entstehung der Stadt markiert, war der Platz über Jahrhunderte hinweg geistig-kultureller Mittelpunkt. Derzeit zeichnet er sich, trotz einer pluralen Anrainerschaft aus Kirche, Gewerbe und Gastronomie, im Wesentlichen alsTransitraum für unterschiedliche Nutzergruppen aus.

Szenarienentwicklung mithilfe digitaler Tools

Im Rahmen des Projekts werden digitale Tools genutzt, entwickelt und erprobt, um den zentral gelegenen Platz wieder in das urbane Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken, die angrenzenden heterogenen Gewerbetreibenden zu vernetzen und somit u.a. den Handel zu unterstützen. Ergänzend wird am Platz der Einsatz weiterer Dienste prototypisch konzipiert.

Zentraler Aspekt der Entwicklung dieser Methodik sind mehrdimensionale, wiederholt durchgeführte Bestandsaufnahmen, qualitative und quantitative Datenanalysen sowieModellierungen des untersuchten Platzes. Diese dienen der Entwicklung von Platzszenarien, auf deren Basis ein innovatives Dienstemodell konzipiert wird. Die Modellierung geschieht durch den Einsatz interaktiver Modelltische, sogenannter CityScopes, deren Konzept auf das Media Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zurückgeht. CityScopes werden vom MIT weltweit als interaktive datenbasierte Stadtmodelle eingesetzt, an denen zukünftige Szenarien der Stadtentwicklung gezeigt und gleichzeitig mit verschiedenen Akteuren diskutiert werden. Das CityScienceLab@HCU (CSL) der HafenCity Universität Hamburg (HCU) hat diese Technologie bereits adaptiert und im Projekt „FindingPlaces” als erfolgreiches Bürgerbeteiligungsmodell für die Flächenfindung von Flüchtlingsunterkünften in Hamburg eingesetzt (steg Hamburg 2016). An diese Technologie (und soziale Erfahrung des Beteiligungsprozesses) schließt das vorliegende Projekt „SmartSquare” an, indem es GIS-basierte Projektionen der Örtlichkeit sowie der einwirkenden Einflussfaktoren, der qualitativen und quantitativen Analyse und der Durchführung von Echtzeitsimulation städtischer Szenarien einsetzt. Die Modelltische wirken entscheidungsunterstützend sowohl unter Experten als auch zwischen Nicht-Experten und Experten (HCU 2015, Noyman 2016).

Zur Analyse der digitalen Dienste, der Gesamtstruktur des Platzes und deren Entwicklung im zeitlichen Verlauf, mit besonderem Fokus auf die für die Revitalisierung maßgeblichenParameter (Key Performance Indikators, KPIs), wird, flankierend zum CityScope als Analyse und Visualisierungswerkzeug, ein Analytics-Dashboard entwickelt und aufgebaut. Diesesermöglicht es, aus der Perspektive unterschiedlicher Nutzergruppen die für diese Gruppen geltenden Ziele bezüglich der Revitalisierung des Platzes mit ihren relevanten Parameter und Einflussfaktoren zu erfassen und die Auswirkungen von Maßnahmen (insbesondere kulturellen Injektionen) auf diese Größen zu deuten und zu interpretieren. So entsteht ein Werkzeug, mit dem Szenarien und Handlungsoptionen bewertet und damit Aussagen bezüglich der Erfolgschancen von Diensteangeboten und Diensteszenarien getroffen werdenkönnen.

Feldforschung und Analyse digitaler Dienstestrukturen

Die Datenerfassung und Analyse des Platzes und der Einflüsse der Umgebung fokussiert sich auf die Potenziale integrierter smarter Dienstleistungsangebote aus den Bereichen Handel, Tourismus, Mobilität und Kultur. Die Datenanalysen und -modellierungen gehen ein in eine Evaluation der eingesetzten Methoden der analogen und digitalen Erfassung des Platzes. Auf dieser Basis erfolgt durch iterative Untersuchungen am Domplatz die Entwicklung einer Methodik zur Analyse von Plätzen und nachgeordnet auch von kleinräumigen Quartieren. Auf diese Weise werden ortsspezifische smarte Dienste entwickelt und eine Revitalisierung kleinräumiger Quartiere ermöglicht.

Das Projekt mündet in der Erstellung einer Toolbox, die eine Übertragbarkeit der Methoden auf andere räumliche Einheiten ermöglicht. Die datenorientierte Bestandsaufnahme und Analyse des Platzes erfolgt sowohl durch klassische Feldforschung, die Nutzung bestehender Geobasisdaten als auch durch die Datenerfassung und Analyse bestehender digitaler Dienstestrukturen. Beispielhaft seien hier digitale Dienste genannt, die die Empfehlung von und Navigation zu Restaurants, Sehenswürdigkeiten oder Ähnlichem ermöglichen. Ebenso werden raumbezogene Daten von georeferenzierten Dienste wie Car- und Bike-Sharing, Social-Media-Angebote sowie Daten, die dem Projekt durch die Kooperation mit Stakeholdern zur Verfügung gestellt werden, genutzt.

Eine zentrale Bedeutung kommt dabei dem Hamburger Transparenzportal zu, dessen Daten in die Analyse, Modellierung sowie Szenarien und Diensteentwicklung mit einfließen. Die Entwicklung der Dienste- und Diensteszenarien basiert auf der Analyse der Korrelationen und Interdependenzen der einzelnen Nutzungsmuster von analogen und digitalen Diensten, dem Zugangs- und Bewegungsverhalten von Nutzern des Platzes, sowie der Angebote der Anrainer und Drittanbieter. Dabei dienen die CityScopes als interaktive Stadtmodelle der Darstellung und Modellierung der Platzangebote und -nutzungen während das Analytics-Dashboard zur Planung und Steuerung von verknüpften Diensten und Angeboten eingesetztwird.

Entwicklung und Implementierung orts- und nutzerspezifischer Dienste

Die umfangreiche Bestandsaufnahme der Daten ermöglicht es, über deren Analyse und Synthese zu Modellen und Systematiken, einen tiefen Einblick in die Dynamik derAktivitäten am Domplatz zu gewinnen. Diese Erkenntnisse befähigen Anbieter von analogen wie auch von digitalen Diensten, maßgeschneiderte Dienste für Ihre Kunden zu gestalten.Darüber hinaus können sie die Akzeptanz und den Nutzungsgrad ihrer Dienste kontinuierlich messen, so dass eine dynamische Anpassung der Dienste an die Bedürfnisse der Nutzermöglich wird. Insgesamt ergibt sich so ein auf die individuelle Situation an einem „Smart Square” optimiertes Dienstesystem, sowohl für die Anbieter als auch für die Konsumenten.

Die Modellierung und Analyse der erhobenen Daten ermöglicht die ortsspezifische Konzeption und Feinplanung der Implementierung erster eigener digitaler kulturellerInjektionen am Platz, die beispielsweise durch den Einsatz von mobilen Screens die Geschichte des Platzes interaktiv erlebbar machen. Der Einfluss und die Auswirkungen derInjektionen auf die Nutzung des Platzes wird dann untersucht und geht in die Konzeption weiterer Dienste ein. Ergänzende Daten fließen durch die über die Installationen zusätzlicherfassbaren Daten in die Modellierung ein und lassen weitere Spezifizierungen und Annahmen über die Platznutzung zu.

Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur

Das Forschungsvorhaben ist ein Verbundprojekt von drei Verbundpartnern und einem Value-Partner: Der Aufgabenschwerpunkt der HCU als Antragstellerin liegt in der Datenerhebung, Modellierung und Gesamtprojektkoordination. Die Stiftung Helms-Museum / Archäologisches Museum Hamburg (im Folgenden meistens als AMH abgekürzt) erarbeitet und pilotiert die Use Cases im Bereich E-Culture mit Bezug zur Hammaburg. Die Aufgabe von Hamburg@work GmbH besteht darin, als Multiplikator in die Digitalwirtschaft

Hamburgs zu wirken und Daten- und Dienstebedarfe wissenschaftlich gestützt einzusammeln. Der Value-Partner eCulture.info stellt die Gesamtprojektidee samt Übersichtsarchitektur zur Verfügung, koordiniert die Schnittstelle von eCulture und Pilotierung hin zu anderen Diensten und bemisst, in enger Zusammenarbeit mit dem CityScienceLab@HCU (CSL), den Einfluss der Pilotierungen hinsichtlich der wirtschaftlichen nationalen und internationalen Verwertungsszenarien.

Die Zusammenstellung des Projektverbunds aus Wissenschaft, Wirtschaft und Museum bezweckt die Schaffung und Nutzung von Synergien, die neben der Fach- auch von der Lokalexpertise der beteiligten Partner verstärkt werden.

Ein weiteres Ziel des Verbundprojekts besteht in einer gemeinsamen, interdisziplinären Konzeption, Umsetzung und Evaluierung des Projekts – unter Einsatz agiler Entwicklungsmethoden und mit der Beteiligung und Kooperation der lokalen Stakeholder. Die Akteursperspektive wird transparent in die Planung smarter Lösungen mit einbezogen. Die Zusammenstellung des Verbunds kann so konstruktiv für die Entwicklung einer Methodik und der Konzeption eines innovativen Dienstleistungsmodells und der Berücksichtigung der Entwicklung neuer Wertschöpfungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Informations- und Kommunikations- Technologien (IuK) genutzt werden. Die theoretische Untersuchung ist auf diese Weise mit der unmittelbaren Pilotierung praktischer Projekte eng verknüpft, welche vor allem durch die Potenziale einer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kulturinstitution möglich wird.

Ziel des Projekts ist es ferner, durch das skizzierte Projekt auch Aspekte der gesellschaftlichen Produktion digitaler und hybrider Räume stärker in den Mittelpunkt vonForschung und Konzepten zur Produktion von Raum zu stellen. Dies stellt sich vor dem Hintergrund der Untersuchung einer kleinräumigen Struktur, wie der des HamburgerDomplatzes, als besonders interessant dar, da prototypisch die Entwicklung und der Einfluss hyperlokaler Geschäfts- und Dienstemodelle untersucht werden.

Die abschließende Toolbox umfasst die nötigen Methoden sowie eine Anleitung welche Daten zunächst erfasst werden müssen und auf welche Weise diese zu erheben sind, um einen Revitalisierungsprozess auch auf anderen kleinräumigen Strukturen starten zu können. Aufgrund der natürlich unterschiedlichen Platzspezifika ist zusätzlich eine Evaluierungenthalten, welche die einzelnen beinhalteten Datensätze und Methoden entsprechend ihrer Verzichtbarkeit wertet. Durch die Systematisierung der Vorgehensweise im Projekt, der Datenstrukturen und der Datenerfassung sowie der Auswertungsmethodik und Algorithmen wird die Übertragbarkeit der Toolbox auf andere Orte gewährleistet. Insbesondere die Dekonstruktion des komplexen Gesamtsystems Platz/Quartier und der dort interagierenden realen und virtuellen Dienste führt zu einer Methodik, welche abstrahierbar und damit anpassbar für andere urbane Räume an anderen Orten wird. Die Gemeinsamkeit dieser Projekte besteht in der Kopplung von realen und virtuellen Angeboten (hybride Räume) und der Zielsetzung der Revitalisierung dieser Räume. Die Toolbox ermöglicht auf dieser Basis eine Übertragung der Methodik und der Tools.